Fingerfux

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Ich habe 10 Tage in kompletter Dunkelheit geübt

Das kennt wohl jeder, der gerade Gitarre oder E-Gitarre lernt, egal ob Anfänger oder Fortgeschrittener: Eigentlich läuft es ganz gut, vielleicht traut man sich auch schon an anspruchsvollere Gitarren Lieder heran, aber dann kommt sie: diese eine Stelle, die einfach nie klappen will.

Ich selbst übe gerade ein schwieriges Stück, das ich schon lange lernen wollte. Aktuell bereits seit 3 Monaten. Eigentlich läuft es ganz gut, aber diese eine Stelle - an der überschlagen sich die Gedanken: “Heute klappt es!”, “Diesmal schaffe ich sie!”… und so weiter. Du kannst es dir denken: meistens klappt es dann nicht.

Das Lied ist der Cannonball Rag, ein sehr bekanntes Stück unter den Travis Pickern. In vielen Versionen davon, die mir gut gefallen, wird es mit einem Thumb Pick gespielt. Eine Technik, mit der ich mich heute noch nicht zu 100% wohl fühle. Dazu kommt, dass in dem Lied ein richtig schneller chromatischer Lauf vorkommt.

Wie übe ich diese Stelle am besten, damit es endlich so klappt, wie ich es mir wünsche?

In einem Video der britischen YouTuberin Mary Spender bin ich auf den Tipp gestoßen, Lieder im Dunkeln zu üben. Auch Carlos Santana wird nachgesagt, dass er das häufiger tue.

Natürlich klingt das erst mal etwas verrückt, aber ich wurde neugierig. Also stand der Entschluss fest: Ich möchte das ausprobieren!

Ich übe 10 Tage lang jeden Tag mindestens 15 Minuten im Dunkeln Gitarre!

Ein schwarzes Hemd, das ich eh nie angezogen habe, dient mir dabei als Augenbinde. Das Gefühl dabei wechselte fast täglich zwischen “Richtig coole Idee!” und “was für ein Quatsch…”.

Aber dann: das Lick klappt nach ein paar Tagen mit verbunden Augen! Aber ist im Dunkeln üben jetzt die Lösung aller Probleme?

Nein, natürlich nicht. Aber es bricht einen aus gewohnten Mustern heraus. In meinem Fall z.B. war am Ende die Haltung meiner rechten Hand schuld, und mit verbundenen Augen fand ich eine Art, wie ich das Lick im Originaltempo spielen kann. Ohne dauernd mir selbst zuzuschauen, fand ich also über Gefühl und Haptik eine Lösung, bei der mein Kopf mir vorher dauernd sagte, so ginge das nicht. Darauf kann ich nun aufbauen und mit diesem Wissen anders an’s Üben heran gehen.

Andi, soll ich jetzt auch dauernd im Dunkeln Gitarre üben?

Du kannst es gerne probieren, aber im Endeffekt ist der Perspektivenwechsel wichtig:

Diesen kannst du auch dadurch bekommen, dass du dich selbst beim Spielen filmst und dir das danach ansiehst. Oder dir von jemand anderem zuschauen lässt und danach Feedback bekommst, zum Beispiel ein anderer Gitarrist oder sogar ein Lehrer. Oder eine Pause von 1-2 Wochen kann auch Abstand und neue Erkenntnisse bringen!

Schau dir mein Selbstexperiment im neuen Video an: