Vom Anfänger zum Fortgeschrittenen auf der Gitarre - 6 Tipps
Mir ist das früher einige Male passiert, dir vielleicht auch: Du besuchst eine Veranstaltung wie z.B. ein Stadtfest und schlenderst durch, bis du bei der Bühne stehen bleibst und deinen Ohren und Augen nicht traust: Du siehst einen Gitarristen, bei dem einfach alles passt: Jeder Ton sitzt, er strahlt Selbstsicherheit aus und alles was er spielet klingt total souverän und professionell. Ungläubig beobachtest du, nein bewunderst du, was er da tut und fragst dich: Wie kann das sein? Dieser Artikel soll beleuchten, warum der Gitarrenheld auf dem Stadtfest so sicher auf der Gitarre ist und warum man ihm vom ersten Ton anhört, dass er kein Anfänger mehr ist.
1 Die Grundlagen und das Verständnis
Ich erwarte von niemandem, der einfach nur gern Gitarre spielt, dass er ein Professor der Musiktheorie wird - das würde ich selbst nicht wollen. Aber meine Meinung ist, wenn du die absoluten Grundlagen (und damit meine ich einen Bruchteil von dem, was in einem dicken Musiktheoriewälzer steht) richtig gut drauf hast, macht es dir dein Musikerleben um einiges leichter und viele Dinge lösen sich in Wohlgefallen auf, statt dass du jahrelang im Dunkeln tappst.
Dazu gehören so Dinge wie:
Wie funktionieren Dur- und Molltonleitern und unser Tonsystem?
Wie sind Akkorde aufgebaut?
Die Tonarten kennen und wissen, wie sie funktionieren
Welche Stufenakkorde gehören in einer Tonart zusammen?
Gängige Akkordfolgen
Grundkenntnisse in Gehörbildung
Die Fortsetzung davon ist, das alles auf der Gitarre zu kennen und zu finden, sich auf dem Griffbrett zu orientieren. Hierfür kann ich, zusammen mit vielen zufriedenen Teilnehmern, meinen Griffbrett Fux wärmstens empfehlen.
Ein Video zu den Grundlagen der Musiktheorie findest du natürlich auf dem Fingerfux Kanal. Außerdem ist dort eine ganze Playlist “Musiktheorie für Gitarre”.
2 Rhythmische Sicherheit
Beim Spielen ist jede Sekunde, die man zögert, ein potentieller Fehler. Du musst den Rhythmus nicht nur in der Theorie kennen, sondern der Rhythmus muss verinnerlicht sein und ohne Zweifel. Klar muss man das erst mal lernen, und dafür ist z.B. das mitzählen super, oder mit Silben arbeiten, Rhythmen nachsprechen und klatschen. Auf dem Level unserer Vorbilder funktioniert dann aber sehr viel instinktiv statt kognitiv - wie in jeder Disziplin, in der man einem Meister zusieht, wie z.B. im Sport. Das Ganze ist durch häufiges Wiederholen und Üben in Fleisch und Blut übergegangen.
Wichtige Rhythmische Fragen, die du gelöst haben solltest sind:
Ganze, Halbe, Viertel, Achtel, Sechzehntel und Triolen unterscheiden können
Wie fühlen sich Offbeats an? Sowohl in Achtel- als auch Sechzehntelnoten
Verschiedene Schlagmuster und Patterns sofort abrufbar haben
Sich nicht nur auf einen anderen Musiker und dessen Einsatz verlassen, sondern aktiv rhythmisch dran bleiben
Verschiedenste Kombinationen von den oben genannten Zählzeiten kennen und abrufen können
Deine rechte Hand sollte durchgehend in Bewegung bleiben, z.B. bei einem Sechzehntel-Groove, Stichwort “Mikrotime”
Wenn du dich rhythmisch auf ein neues Level weiterbilden willst, dann ist mein Rhythm & Groove Kurs genau das richtige für dich:
Rhythm & Groove Kurs Warteliste
3 Richtig dämpfen auf der Gitarre
Ein weiterer wichtiger Punkt, bei dem sich jeder Profi von einem Anfänger unterscheidet: Eine gute Dämpftechnik.
Auf der Akustikgitarre kann ich so z.B. bestimmen, ob ein Akkord lang oder kurz klingen soll, doer ob ein ganzes Schlagmuster eher füllig oder doch perkussiv klingt.
Ganz typisch wird auch im Genre Funk viel gedämpft, damit die rechte Hand rhythmische Patterns spielen kann, bei denen nur 2-3 Saiten klingen sollen.
Und sobald viel Verzerrung hinzu kommt wie z.B. im Rock und Metal, ist es fast noch wichtiger, weil hier die Nebengeräusche und mitklingenden Leersaiten den Anfänger schnell entlarven.
Wichtig hierfür ist:
Die linke Hand dämpft mit den unbeteiligten Fingern die unbeteiligten Saiten
Die rechte Hand dämpft mit dem hinteren Ballen entweder eine, mehrere oder alle Saiten
Die Spieltechnik Palm Mute mit der rechten Hand sollte sitzen
4 Dynamik beim Anschlagen
Besonders merkt man diesen Punkt bei Anfängern, die einen Song spielen, der über das ganze Lied hinweg aus den gleichen 3-4 Akkorden besteht. Hier klingt es schnell monoton, wenn z.B. kein Unterschied zwischen Strophe und Refrain gemacht wird. Oder wenn zu jedem Zeitpunkt alle Saiten angeschlagen werden, statt mal die hohen, mal die tiefen und mal die mittleren.
Ein guter Gitarrist hat ein Gefühl für:
leise oder laut
weich oder hart
Alle Saiten oder nur ausgewählte anzuschlagen
Die Wahl des richtigen Plektrums für den Song
5 Eine sichere Spieltechnik auf der Gitarre
Damit meine ich nicht, dass man schnell oder virtuos spielen muss. Viel beeindruckender finde ich es, wenn bei einem Gitarristen ein Hammer-On jedes Mal gelingt, die Bendings sauber intoniert sind (also auf die richtige Tonhöhe gezogen wird), der Triller genau so sitzt wie er soll und einfach alles was er tut Erfolg hat.
Das Stichwort ist hier Beständigkeit. Die oben beschriebenen Techniken sollten keine Glückstreffer sein, sondern das versemmeln sollte die absolute Ausnahme darstellen.
Arbeite hierfür an:
Hammer-ons und Pull-offs
Die Intonation der Bendings
Triller
Slides
Double Stops
Wechselschlag
6 Reaktionsfähigkeit
Dieser Punkt ist vielleicht vor allem für einen Anfänger etwas weniger greifbar, aber mir fällt er immer wieder auf, nachdem ich seit 20 Jahren auf der Bühne stehe und auch oft mit (teils unbekannten) Aushilfen zusammen spiele.
Wie reagiert jemand, wenn etwas ungeplantes passiert? Das kann natürlich im schlimmsten Fall ein eigener oder der Fehler eines anderen sein, es kann aber auch einfach eine überraschende Wendung sein, ein spontan entstehendes Abweichen von der Standardform eines Stücks, ein länger hinausgezögerter Publikumsteil, ein Versagen des Equipments oder ein spontan zugerufenes “Gitarrensolo!!!”.
Ein guter Gitarrist ist in dieser Hinsicht “mit allen Wassern gewaschen” - das klingt erst mal platt, aber man weiß es sehr zu schätzen, sobald man den Unterschied kennt.
Das Gemeine ist, dieser Punkt lässt sich nicht wirklich üben. Nur indem man sich immer wieder Situationen aussetzt, bei denen man sich unsicher ist, ob man sie bewältigen kann oder nicht (in den allermeisten Fällen ist man danach freudig überrascht, wozu man doch in der Lage ist), trainiert man diese Fähigkeit. Beispiele hier für sind kurzfristige Anfragen mit viel neuem Repertoire, größere Auftritte als man gewohnt ist oder andere Bandformationen und Genres als die, die man gewohnt ist.
Das waren ein paar Gedanken zu dem Thema. Ich hoffe, du konntest etwas wertvolles für dich daraus ableiten.
Wenn dich das Thema Anfänger oder Fortgeschrittener generell interessiert, dann kannst du dir gern auch dieses Video auf dem Fingerfux Kanal dazu ansehen.