Fingerfux

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Die Improvisations Lüge

Ich würde gerne ein Solo zu irgendwelchen Akkorden auf der Gitarre spielen können.

Warum kannst du es denn nicht?

Ich bin nicht gut im Improvisieren auf der Gitarre.

Woran machst du das fest?

Immer, wenn ich versuche, zu improvisieren, klingt es einfach nicht schön. Ich habe keine guten Ideen.

Da war es, das typische Problem, wenn es ums Improvisieren auf der Gitarre geht. Diese Ausschnitte stammen aus einem Gespräch mit einem Zuschauer des Fingerfux-Kanals am Anfang des Jahres. Sein Name ist Thomas.

Aus dem Gespräch geht hervor, dass Thomas gerne improvisieren möchte, aber bisher keinen Zugang zu dem Thema gefunden hat. Und das obwohl er es schon so oft versucht hat. Thomas meint, er hätte einfach kein Talent zum Improvisieren.

Natürlich gibt es Unterschiede, wie “gut” man improvisieren kann. Aber, und das ist ganz wichtig:

Die Fähigkeit zu improvisieren hat nichts mit Talent oder besonderer Begabung zu tun.

Wer meint, dass man sich beim Improvisieren mit der Gitarre hinsetzt, und spontan ein Solo zu irgendwelchen Akkorden spielen kann, ohne etwas dafür tun zu müssen, irrt sich gewaltig.

Improvisation ist ein Handwerk, das man lernen kann. Ja sogar lernen muss, denn niemand kann das spontan.

Es gibt ein paar handwerkliche Fähigkeiten, ohne die Improvisation kaum möglich ist:

Die Tonart eines Stückes oder einer Akkordfolge bestimmen können.

Jedes Stück hat einen tonalen Mittelpunkt. Ohne diesen Tonalen Mittelpunkt zu kennen, wird es sehr schwierig, zu improvisieren. Die Tonart zu kennen ist auch notwendig, um das Tonmaterial für die Improvisation festzulegen. Wie das geht, kannst du in diesem Video hier lernen: So findet JEDER die Tonart eines Liedes heraus.

Die passende Tonleiter finden und spielen können

Die Tonart alleine zu kennen reicht nicht. Das Ziel einer Tonart ist ja, die möglichen Töne einzugrenzen. Ansonsten könnte man ja einfach wild auf dem Griffbrett Töne suchen. Da das aber nicht gut klingen würde (meine Frau hat das in einem Video, das später verlinkt wird, einmal versucht) braucht es eine reduzierte Auswahl an Tönen, die wir für die Improvisation nutzen können. Auch Tonleiter genannt. Ganz wichtig: Das heißt nicht, dass nicht doch auch andere Töne vorkommen können. Die Eingrenzung der Töne ist aber eine gute Basis, von der man ausgehen kann. Das muss übrigens nicht zwingend eine Dur- oder Molltonleiter sein. Ich zähle hierzu auch die Pentatonik.

An diesem Punkt hat man schonmal eine gute Voraussetzung, um passende Töne zu finden. Das ist auch der Punkt, über den viele Leute nicht rauskommen. Allerdings wird es ab dann erst so richtig spannend.

Auf bestimmte Akkorde eingehen

Ich liebe diesen Punkt. Auf Akkorde eingehen bedeutet, dass man, während ein Akkord klingt, genau weiß, wo auf dem Griffbrett die Akkordtöne liegen. Man kann quasi gezielt Akkordtöne anspielen. Das setzt natürlich voraus, dass man weiß, welcher Akkord gerade im Hintergrund läuft. Und genau das trennt die Spreu vom Weizen. Für viele Endet Improvisation bei: Ich habe eine Tonleiter und kann diese die ganze Zeit spielen. In vielen Fällen klingt das aber etwas langweilig. Und wenn dann noch Akkorde dabei sind, die gar nicht in der Tonart sind, klingt es auch falsch. Und es ist gar nicht so schwierig. Mit gezielten Arpeggio-Übungen kann man schnell Akkorde umspielen und für das gewisse Etwas beim Improvisieren sorgen.

Auch hier geht es natürlich nicht darum, immer nur Akkordtöne zu spielen. Die Mischung zwischen Spannung (kein Akkordton) und Entspannung (Akkordton) macht es aus.

Mit diesen drei Punkten schaffst du die handwerklichen Voraussetzungen fürs Improvisieren auf der Gitarre. Um das Ganze in der Praxis zu sehen, würde ich dir mein neues Youtube-Video empfehlen:

Der kreative Aspekt

Allerdings ist gute Improvisation noch etwas mehr als das. Denn Improvisation hat auch etwas mit Ideen und Kreativität zu tun. Oft kommen Aussagen wie: “Woher weiß ich, was ich spielen soll?” oder “Mir fällt einfach nichts ein”.

Das bringt uns zur kreativen Seite des Improvisierens. Es ist völlig normal, dass uns nichts einfällt, und wir keine Ideen haben, wenn wir die kreative Seite nicht regelmäßig anregen.

Ich hatte Thomas gefragt, welche Melodien er spielen kann, welche Soli er gelernt hat und welche Riffs er drauf hat.

Ich bin nicht so der Nachspieler, meinte er. Na dann ist es kein Wunder, dass Thomas nichts einfällt.

Ich vergleiche das gerne mit dem ABC. Wenn du die einzelnen Buchstaben nicht kennst, kannst du keine ganzen Wörter bilden. So ist es auch mit der Improvisation.

Ohne ein Repertoire an Melodien, Riffs und Licks, wird dir beim Improvisieren nichts weltbewegendes einfallen. Improvisation entsteht durch Verändern und Weiterführen von bereits gelernten Melodien.

Hierfür musst du nicht dreißig zwei-minütige Led Zeppelin Soli lernen. Es reichen schon kleine Gesangsmelodien, coole Gitarrenriffs oder kurze Melodiepassagen als Grundlage für eine Improvisationsidee. Wichtig ist, dass du Melodien im Kopf hast. Nicht nur in den Fingern.

Ich kann mich noch super erinnern an die Zeit, als ich kleine Werbemelodien wie die der Telekom z.B. (Da da da di da) gelernt habe. Bei jeder Gelegenheit habe ich versucht diese Melodie in der jeweiligen Tonart zu spielen. Mal original, mal rhythmisch etwas abgeändert und mal so, dass man sie kaum erkennen konnte.

Ja, auch der Rhythmus spielt beim Improvisieren eine große Rolle. Aber das würde jetzt hier den Rahmen sprengen. Wenn du dein Bewusstsein für Rhythmus stärken willst, schau doch mal bei Rhythm & Groove - Der Weg in die rhythmische Leichtigkeit vorbei.

Genau diesen Prozess brauchst du zum Improvisieren. Einen Ohrwurm, den du versuchst über viele Verschiedene Akkorde zu spielen. Nennen wir es gezielte Experimentierfreudigkeit. Du merkst, dass deine Übungen effektiv waren, wenn dir die Melodien plötzlich bei der Arbeit oder am Frühstückstisch in den Sinn kommen.

So trainieren wir unsere Fähigkeit, Melodien abzurufen, zu verändern und weiterzuführen. Je mehr dieser Melodien wir im Repertoire haben, umso mehr wird uns das beim Improvisieren helfen.

Du wirst beim Improvisieren nur das spielen, was du in irgendeiner Weise schonmal gelernt hast. Z.B. Eine Melodie, ein Riff oder ein Lick in abgewandelter Form.

Mit diesen Tipps hast du einen Fahrplan, was du lernen solltest, um spontan ein Solo zu irgendwelchen Akkorden spielen zu können. Natürlich ist das mit Arbeit verbunden. Aber ich denke, das ist keine Überraschung.

Wenn du das Thema strukturiert und mit meiner Hilfe angehen willst, kann ich dir den Griffbrett-Fux Mitgliederbereich empfehlen. Dort geht es um die handwerklichen Fähigkeiten wie Tonleitern und Akkorde umspielen, aber auch darum, Melodien, Riffs und Licks zu lernen und damit kreativ umzugehen. Du kannst dich ganz unverbindlich in die Warteliste eintragen, um die nächste Öffnung für neue Mitglieder nicht zu verpassen:

Griffbrett-Fux Warteliste

Fassen wir die Punkte, die es zur Improvisation braucht, also nochmal zusammen:

Handwerkliche Seite:

  • Die Tonart eines Stückes oder einer Akkordfolge bestimmen können

  • Die Passende Tonleiter oder Pentatonik finden und spielen können

  • Auf bestimmte Akkorde eingehen können

Kreative Seite:

  • Großes Repertoire an Melodien, Riffs und Licks aufbauen

  • Melodien immer wieder abändern und weiterführen

  • Melodien so verinnerlichen, dass sie im Kopf ablaufen

  • Mit diesen Melodien, Riffs und Licks experimentieren wie z.B. in eine andere Tonart transponieren oder über andere Akkorde spielen

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende.
Liebe Grüße
Andi 🎸🦊