Welchen Gitarrenverstärker sollte ich mir kaufen?
Die Wahl des richtigen Gitarrenverstärkers ist von entscheidender Bedeutung für jeden Gitarristen, unabhängig von seinem Erfahrungsniveau. Ein guter Verstärker kann den Klang und das Spielgefühl einer Gitarre nämlich erheblich beeinflussen, ein schlechter ebenso.
In diesem Artikel werde ich die verschiedenen Faktoren diskutieren, die bei der Auswahl eines Gitarrenverstärkers zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus werde ich Empfehlungen für Gitarrenverstärker in unterschiedlichen Preiskategorien geben.
Inhaltsverzeichnis
An vorderster Stelle steht meines Erachtens nach die eigentliche Wunschvorstellung vom Klang, den man gerne vom Verstärker hören würde. Oft wird diese davon beeinflusst, welche Gitarristen man als Vorbilder hat und wie deren Sound klingt.
Es gibt heute unglaublich viele Hersteller und Modelle, aber die allermeisten sind auch heute noch Nachbildungen oder Weiterentwicklungen der “Urgesteine”, von denen vor allem 3 im Vordergrund stehen:
Amerikanisch (angelehnt an Fender)
Klar, warm und ausgewogen. Ein satter und voller Clean-Sound, der sich perfekt für Genres wie Blues, Country und Jazz eignet. Amerikanische Verstärker haben oft eine ausgeprägte Präsenz und bieten eine gute Dynamik und Ansprache. Sie sind auch bekannt für ihren Twang, der den Klang von Singlecoil-Gitarren besonders gut zur Geltung bringt.
Berühmte Spieler dieses Sounds: Stevie Ray Vaughan, Neil Young, John Mayer
Britisch (angelehnt an Marshall)
Stehen für den klassischen Rock-Sound. Satte Verzerrung, perfekt für Genres wie Rock und Metal. Clean und leicht verzerrt klingt hier auch gut, hat aber eine andere Charakteristik als die amerikanischen Verstärker. Sie haben oft einen starken Mitteltonbereich, der ihnen einen durchsetzungsfähigen und druckvollen Klang verleiht.
Berühmte Spieler: Jimi Hendrix, Jimmy Page, Gary Moore
Britisch (angelehnt an Vox)
Warmer und cremiger Klang, der sich gut für Genres wie Rock, Pop und Indie eignet. Die Höhen klingen hier ganz anders als bei amerikanischen Verstärkern, und die Verzerrung klingt weniger satt als bei Marshall, dafür bissiger.
Berühmte Spieler: John Lennon & George Harrison, Brian May oder The Edge (U2)
Die allermeisten Verstärker heutzutage lassen sich auf einen dieser drei Typen zurück führen. Jeder Hersteller hat aber leichte Veränderungen am Schaltkreis vorgenommen, was sich auf Klang und Spielgefühl auswirkt. Der grundsätzliche Charakter kommt aber meistens durch.
Daneben gibt es noch einige Hersteller, die die Verstärkerentwicklung weiter voran getrieben haben, unter anderem:
Dumble-Style-Amps: Amerikanischer Sound (in Perfektion?), für viele der heilige Gral. Im Original unbezahlbar, aber mittlerweile gibt es auch Kopien dieser Art der Verstärker
Friedman: Die moderne Weiterentwicklung vom britischen Marshall-Sound
Mesa/Boogie: Bekannt für ihre hohe Verzerrungsfähigkeit, aber auch Vielfältigkeit. Vor allem bei Rock- und Metalgitarristen beliebt
Orange: Zeichnen sich durch ihr charakteristisches strahlend orangefarbenes Erscheinungsbild und ihren einzigartigen Klang aus. Vor allem in der Rockmusik beliebt
Diezel: Sind für ihre hohe Verzerrungsfähigkeit und ihre präzise Basswiedergabe bekannt. Sie sind bei Heavy-Metal- und Hard-Rock-Gitarristen beliebt
Ein Combo-Gitarrenverstärker besteht aus einem Gehäuse, in dem sowohl der Verstärker als auch der Lautsprecher integriert sind. Dieses Design kann portabler sein, kann aber je nach Modell beim Tragen auch ganz schön schwer werden.
Beim Topteil mit separater Box beinhaltet das Topteil den eigentlichen Verstärker, während die Box nur als Lautsprechergehäuse ebendiese enthält. Diese Konfiguration ermöglicht eine größere Flexibilität, da der Gitarrist den Verstärker und das Gehäuse separat auswählen und kombinieren kann. Dadurch hat der Gitarrist die Möglichkeit, den Klang durch den Einsatz eines anderen Topteils oder einer anderen Lautsprecherbox anzupassen, muss aber immer 2 Teile transportieren.
Letztendlich hängt die Wahl von den individuellen Bedürfnissen und Vorlieben des Gitarristen ab. Beide Optionen haben ihre Vor- und Nachteile, und es ist wichtig, vor allem den geplanten Einsatzbereich zu berücksichtigen.
Der Röhrenverstärker
Der Röhrenverstärker ist der Klassiker unter den Verstärkern - hiermit haben die meisten unserer Gitarrenhelden und Vorbilder gespielt.
Das an sich relativ schwache Signal der Gitarre wird erst durch die Vorstufenröhren geleitet, die es ein erstes Mal verstärken und ihm seinen charakteristischen Klang verleihen. Anschließend wird das Signal durch Endstufenröhren weiter verstärkt, um einen ausreichenden Output für die Lautsprecher zu erzeugen.
Durch den Einsatz von Vakuumröhren entstehen im Klang harmonische Obertöne und sorgen für einen warmen und natürlichen Sound, außerdem reagieren sie auf die Spielweise wie z.B. die Anschlagsstärke des Gitarristen.
Ein großer Vorteil dieser Verstärkerart ist also der Klang, das Spielgefühl und die Abbildung von Details. Zudem ist die haptische Bedienung mit den Drehreglern relativ einfach.
Zu den Nachteilen gehören, dass sie wartungsintensiver sind als andere Verstärkertypen (die Vakuumröhren müssen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls ausgetauscht werden), dass sie meistens relativ schwer sind und die Vorteile im Klang auf Zimmerlautstärke deutlich abnehmen - ein Röhrenverstärker klingt in der Regel am besten laut.
Sie sind die richtige Wahl für Leute, bei denen der Klang an oberster Stelle steht und die die Möglichkeit haben, zuhause oder auf Bühnen etwas lauter zu drehen. Modernere (und teurere) Modelle bieten mittlerweile aber auch Funktionen zum direkten und leisen Aufnehmen oder der Leistungsreduzierung, um auch leise an einen guten Sound zu kommen.
Der Transistorverstärker
Der Transistorverstärker verwendet Transistoren, sowohl in der Vor- als auch in der Endstufe, um das Gitarrensignal zu verstärken und an die Lautsprecher weiterzugeben.
Ein großer Vorteil von Transistorverstärkern ist ihre Effizienz und Zuverlässigkeit: Sie sind in der Regel leichter als Röhrenverstärker und benötigen weniger Wartung, zudem sind sie oft deutlich günstiger in der Anschaffung. Sie sind mit den Drehreglern ähnlich zu bedienen wie ein Röhrenverstärker.
Wichtig ist aber, dass Transistorverstärker einen anderen Klangcharakter haben als Röhrenverstärker - das kann je nach Anwendung ein Vorteil oder ein Nachteil sein. Sie neigen dazu, einen klareren und präziseren Klang zu erzeugen, der für bestimmte Musikgenres besser geeignet ist und für andere weniger.
Meiner Meinung nach sind sie mit ihrem straffen Sound z.B. für Funk beinahe optimal, für Rock und Metal eher weniger, da sie verzerrt und bei hoher Lautstärke gerne auch kratzig klingen können und die Wärme eines Röhrenverstärkers etwas vermissen lassen.
Insgesamt bieten Transistorverstärker eine praktische und kostengünstige Option für Gitarristen, die einen zuverlässigen Verstärker mit vielseitigen Klangeinstellungen suchen. Ich sehe sie gut geeignet für Einsteiger oder als Übungsverstärker für zuhause.
Der Modeling-Verstärker
Ein Modeling-Verstärker ist eine moderne und vielseitige Option für Gitarristen, die nach einer breiten Palette von Klangmöglichkeiten suchen. Diese Verstärker verwenden digitale Technologie, um den Klang verschiedener Verstärkermodelle und Effekte nachzuahmen und es gibt sie entweder mit oder ohne Lautsprecher. Diese Modelle ermöglichen es Gitarristen, verschiedene Verstärker-Klangfarben und Effekte in einem einzigen Gerät zu nutzen.
Ein großer Vorteil von Modeling-Verstärkern ist ihre Flexibilität. Sie bieten eine breite Palette an Verstärkermodellen und können darüber hinaus eine Vielzahl von Effekten wie Echo, Hall, Chorus und mehr emulieren.
Ein weiterer Vorteil von Modeling-Verstärkern ist ihre Portabilität. Da sie auf digitaler Technologie basieren, sind sie in der Regel kompakt und leicht. Dies macht sie ideal für Gitarristen, die häufig unterwegs sind oder wenig Platz für ihre Ausrüstung haben. Man kann sie z.B. auch direkt in eine Bühnenanlage spielen, ohne eigenen Lautsprecher.
Allerdings gibt es auch einige Nachteile von Modeling-Verstärkern. Obwohl sie den Klang vieler Verstärkermodelle gut nachahmen können, gibt es immer noch einige Nuancen und Feinheiten, die möglicherweise nicht perfekt reproduziert werden können. Darüber hinaus können die digitalen Bedienelemente und Menüs manchmal etwas komplex sein und eine gewisse Einarbeitungszeit erfordern.
Insgesamt bieten Modeling-Verstärker eine praktische Lösung für Gitarristen, die eine große Vielfalt an Klängen und Effekten in einem einzigen Gerät wünschen.
Ich halte sie beinahe für die beste Wahl für einen Anfänger, vor allem Modelle mit einfacher Bedienung und eingebautem Lautsprecher, da diese einen “All-in-one”-Ansatz bieten. So kann man viele verschiedene Verstärkertypen und Effekte ausprobieren , und später, wenn man weiß, was einem gefällt, immer noch die “echte” Version davon kaufen.
Der Kemper Profiler
Der Kemper Profiler ähnelt auf den ersten Blick einem Modelingverstärker, verwendet aber eine eigene Technologie namens "Profiling", um den Klang jeder Signalkette aus Verstärker, Box und Mikrofon abzuspeichern. Man kann entweder seinen eigenen Verstärker mit einem Mikrofon abspeichern, oder aus einer umfangreichen Sammlung von bereits erstellten Profilen, die von anderen Nutzern geteilt oder verkauft werden, auswählen.
Hier liegt die eigentliche Stärke dieses Modells, da er absolut etabliert ist und es eine Vielzahl von absolut professionellen und hochwertigen Sounds gibt, die in Musikstudios weltweit erstellt wurden. Hat man einmal Sounds gefunden, die einem gefallen, muss man eigentlich nicht mehr herum schrauben.
Dazu kommen viele super klingende Effekte, mit denen sich jeder Sound versehen lässt - der Kemper ist also, wie viele Modelingverstärker, auch als “All-in-one”-Lösung zu sehen.
Ein potenzieller Nachteil des Kemper Profilers ist die Bedienung: Er ähnelt doch eher einem Computer, als einem Röhrenverstärker und man muss sich darauf einlassen. Außerdem kann man die erstellten Sounds nur bedingt bearbeiten, ohne dass sich der Klang zu sehr verändert.
Insgesamt ist der Kemper Profiler eine ausgezeichnete Wahl für Gitarristen, die eine breite Palette von Verstärkerklängen in einem kompakten Gerät suchen. Mit seinen präzisen Klangnachbildungen und der Möglichkeit, eigene Profile zu erstellen, bietet der Kemper Profiler eine unvergleichliche Flexibilität und klangliche Vielfalt.
Dass der Kemper Profiler absolut professionellen Standard aufweist, spiegelt sich auch im Preis wieder. Ich würde ihn daher weniger einem kompletten Anfänger sondern eher jemandem, der es mit dem Gitarre spielen bereits relativ ernst nimmt und Auftritte vor Publikum hat, empfehlen.
Der Hybrid-Verstärker
Ein Hybrid-Verstärker kombiniert die Vorteile von Röhren- und Transistorverstärkern. Der Einsatz von Röhren in der Vorstufe ermöglicht es, einen warmen und dynamischen Klang zu erzeugen. Die Transistoren in der Endstufe liefern hingegen die notwendige Leistung und Stabilität.
Ein großer Vorteil von Hybrid-Verstärkern ist ihre Vielseitigkeit. Sie bieten oft eine breite Palette von Klangeinstellungen und Effekten, die es dem Gitarristen ermöglichen, den gewünschten Klang zu erzielen. Darüber hinaus sind sie in der Regel zuverlässiger und wartungsärmer als reine Röhrenverstärker. Zudem sind sie meistens auch deutlich leichter zu transportieren.
Als Nachteil kann man sehen, dass obwohl sie den Klang von reinen Röhrenverstärkern gut nachahmen können, sie immer noch nicht alle Feinheiten hin bekommen. Darüber hinaus können die Bedienelemente und Einstellungen je nach Modell unterschiedlich sein und eine gewisse Einarbeitungszeit erfordern.
Insgesamt bieten Hybrid-Verstärker eine gute Balance zwischen dem warmen Klang von Röhrenverstärkern und der Zuverlässigkeit von Transistorverstärkern. Sie sind eine gute Wahl für Gitarristen, die nach einem vielseitigen und zuverlässigen Verstärker suchen, der sowohl für Live-Auftritte als auch für Studioaufnahmen geeignet ist.
Das Plugin
Ein Gitarrenplugin ist eine Softwarelösung, die den Klang eines Gitarrenverstärkers und verschiedener Effekte digital emuliert. Es kann entweder als eigenständige Anwendung oder als Plugin in einer Digital Audio Workstation (DAW) verwendet werden.
Vereinfacht kann man sagen: Sie sind ein Modelingverstärker in Software-Form. Die Vor- und Nachteile sind also sehr ähnlich wie bei diesen.
Im Vergleich zu physischen Verstärkern sind Gitarrenplugins oft deutlich günstiger in der Anschaffung. Dafür braucht man aber ein Audio-Interface, um die Gitarre mit dem Computer verbinden zu können und dann noch Kopfhörer oder Lautsprecher.
Für den Einsatz auf der Bühne sind sie alles andere als die erste Wahl, und in meinen Augen eher als Bastellösung zu betrachten. Dafür sind sie zuhause unglaublich einfach zu bedienen und mit ihnen können total schnell und einfach Aufnahmen erstellt werden.
Insgesamt bieten Gitarrenplugins eine praktische Lösung für Gitarristen, die eine große Vielfalt an Verstärkermodellen und Effekten in einer digitalen Umgebung suchen.
Die Verstärker selbst reichen von 1 bis 150 Watt. Hier sei gesagt, dass Verstärker mit weniger Leistung früher zerren - je mehr Watt der Verstärker hat, desto länger bleibt er i.d.R. unverzerrt, auch bei hohen Lautstärken. Das kann genau das sein, was du suchst - oder auch genau das Gegenteil.
Boxen und Combos gibt es mit 1, 2 oder 4 Lautsprechern, die meistens die Größe 12 Zoll besitzen, manchmal aber auch 10 Zoll.
Während große Verstärker und Boxen auf der Bühne wirklich cool aussehen, sind sie heutzutage eigentlich kaum mehr im Einsatz. Rockstars und Tonstudios sind beinahe die letzten verbleibenden Nutzer von einer oder mehreren Lautsprecherboxen mit 4 Lautsprechern. Es gibt natürlich individuelle, spezielle Ansprüche oder Szenarien, der normale Gitarrist von heute kommt aber kaum noch in eine Situation, in der er die klanglichen Vorteile von solchen großen Gerätschaften ausschöpfen kann.
Tatsächlich sind die wohl häufigsten Anforderungen heute wenig Platz, wenig Gewicht und guter Klang bei geringer Lautstärke. Ich würde dir also eher davon abraten, ein 100-Watt-Topteil mit 4x12 Box für zuhause oder die kleine Club-Bühne zu kaufen, sondern überlegen, ob vielleicht der 20-Watt-Verstärker mit der 1x12 oder 2x12 Box (oder ein entsprechender Combo-Verstärker) auch reicht.
Früher war die Wahl relativ einfach - man nahm das, was man sich leisten konnte oder das, was es im örtlichen Musikhandel eben gab.
Heute sind die Möglichkeiten so vielfältig, was auf der einen Seite absolut klasse ist - auf der anderen Seite erschwert es einem die Auswahl.
Ich würde dir als Anfänger zu einem günstigen aber guten Modeling- oder Transistorverstärker raten, da du so verschiedene Verstärkertypen in nachbarschaftsfreundlicher Lautstärke ausprobieren und direkt mit Effekten wie Echo, Hall oder Chorus experimentieren kannst.
Günstige Modeling Verstärker
Bist du dann erfahrener, weißt was dir gefällt und hast vielleicht auch schon eine Band, kannst du dir überlegen, auf einen bestimmten Typ Röhren- oder Hybridverstärker mit einem separaten Pedalboard, einen Kemper Profiler oder einen hochwertigeren Modelingverstärker umsteigen.
Röhrenverstärker:
Hochwertige Modelingverstärker oder Profiler
Line 6 Helix LT Guitar Processor
Man muss sich aber nicht auf nur einen Typ festlegen: Die Plugins für den Computer sehe ich z.B. grundsätzlich als Ergänzung sinnvoll. Ich benutze sie nahezu täglich zum Aufnehmen oder für den Unterricht, neben meinem Kemper Profiler, meinem Line6 HX Stomp und meinen Röhrenverstärker mit Pedalboard. Du kannst mit jedem dieser Geräte glücklich bis ans Ende deiner Tage werden, oder sie entsprechend ersetzen, wenn sich dein Geschmack oder deine Anforderungen geändert haben.