Gitarre sollte nicht das Ziel sein

Ich war 16 Jahre alt, und saß extrem genervt in meinem Zimmer. Es lief “Layla” von Eric Clapton auf meinem CD Player. Die Unplugged Version. Ich hatte das Lied schon zum 100. Mal neu gestartet.

“Aber warum klingt das in der Strophe so schräg?”, dachte ich mir immer wieder. Er sagte doch, dass das Lied in D-Moll steht.

Zur Erklärung: Ich hatte am Tag zuvor Gitarrenunterricht und sagte meinem Lehrer, dass ich gerne ein paar eigene Melodien zu Layla spielen würde. Quasi improvisieren.

Wir haben das über den Anfang des Liedes gemacht, da passte es auch super. Zuhause stellte ich aber dann fest, dass es über die Strophe einfach nur fürchterlich klang.

Später stellte sich heraus, dass es noch Jahre lang so versuchen hätte können. Es kann einfach nicht passen. Denn, die Strophe des Liedes steht in einer anderen Tonart als der Refrain.

Wow, das kam überraschend. Ich wusste damals nicht viel von Tonarten. Was ich wusste war, dass die Dm Pentatonik gut zu Layla passt. Aber das die Strophe einen Halbton tiefer in C#m bzw. E-Dur steht, wusste ich nicht und hätte ich auch nicht rausgefunden.

Verstehen, was passiert

Ab diesem Zeitpunkt war mir klar: Ich will verstehen, was da passiert. Ich will diese Dinge wissen, hören und umsetzen können.

Und so hab ich also angefangen, die Tonart sämtlicher Lieder zu bestimmen. Wochenlang. Damals machte ich das alles, um dazu improvisieren zu können, aber es stellte sich raus, dass das Festlegen der Tonart noch weitere unschlagbare Vorteile hat:

Die Eingrenzung in eine Tonart ist die Basis für:

  • Die Akkorde, die in diesem Stück oder Formteil verwendet werden

  • Jede Melodie, die in diesem Stück oder Formteil vorkommt (egal welches Instrument die Melodie spielt)

  • Kreative Arbeit mit dem Stück (Licks, eigene Melodien, zweite Stimmen, Akkordumspielungen)

Das alles ist kaum möglich, wenn man die Tonart eines Stückes nicht kennt. Der erste Schritt dorthin ist, den Grundton einer Tonart zu finden. Dazu habe ich ein ausführliches Video gedreht:

So findet JEDER die Tonart eines Liedes heraus

Mehr Möglichkeiten als Gedacht

Natürlich ist das noch nicht alles. Dann geht es darum, die nötigen Tools zu haben, um mit der Information auch was anfangen zu können. Sprich, zu wissen, welche Stufenakkorde eine Tonart hat. Das klingt immer so schwer, ist es aber nicht. Es gibt in einer Tonart sieben Akkorde (auch Stufenakkorde genannt). Sich sieben Akkorde zu merken ist gar nicht so schwer.

Und wenn du dann noch die Tonleiter der Tonart auf dem Griffbrett findest, stehen dir folgende Möglichkeiten offen:

  • Akkorde eines Stücks raushören

  • Akkorde finden beim Songschreiben

  • Melodien raushören

  • Melodien finden beim Songschreiben

  • Improvisieren zwischen den Akkorden

  • Akkorde umspielen

Du hast jetzt schon eine Menge Themen, an denen du arbeiten kannst, um deine Musikalität zu entwickeln. Schau dir gerne meinen Griffbrett-Fux Mitgliederbereich an, wenn du genau diese Themen auf die Gitarre übertragen willst. Dort zeige ich dir, wie du immer die Orientierung auf dem Griffbrett hast und sämtliche theoretischen Themen in die Praxis übertragen kannst. Der Griffbrett-Fux ist gerade für neue Teilnehmer geschlossen, öffnet aber dieses Jahr im Winter noch einmal die Türen. Hier kannst du dich unverbindlich in die Warteliste eintragen:

Griffbrett-Fux Warteliste

Reduzieren auf das Wesentliche

Im Prinzip geht es beim Bestimmen der Tonart darum, die Möglichkeiten einzugrenzen. Wir haben 12 mögliche Töne in der Musik. Jetzt kann man denken, dass das ja eh nicht so viel ist. Aber die melodischen Möglichkeiten mit 12 verschiedenen Tönen sind gar nicht so gering. Man kann sowas auch ausrechnen, aber das ist nicht meine Stärke 🤫.

Beim Bestimmen der Tonart beschränken wir die Möglichkeiten und nehmen die Töne weg, die sehr wahrscheinlich nicht wichtig für unser Stück sind.

Das Prinzip wenden wir auf der Gitarre übrigens auch rhythmisch an.

Wenn ein Lied hauptsächlich aus Viertel- und Achtelnoten besteht, nehmen wir bei einem Schlagmuster z.B. die kleinere Einheit. Also die Achtelnoten. Diese lassen wir dann als Pendel durchlaufen (gleichmäßige Ab- und Aufschläge) und bilden dann das Gerüst unseres Schlagmusters.

Theoretisch könnten wir ja auch die 16tel Noten durchlaufen lassen. Machen wir aber nicht, da diese sehr wahrscheinlich für das Stück nicht wichtig sind. Unser Ohr mag es nicht, wenn wir eine zu große Bandbreite an rhythmischen Werten haben.

Wir grenzen unsere Notenwerte auf das Wesentliche ein und schaffen uns damit ein Muster an möglichen Auf- und Abschlägen, auch wenn theoretisch noch viel mehr möglich wäre.

Das ist unter Anderem ein Teil des Rhythm & Groove Workshops. Dort helfe ich dir, ein Rhythmusgefühl aufzubauen, auf das man sich zu 100% verlassen kann. Eine der Kernfähigkeiten eines jeden Musikers. Schau gerne mal rein, wenn das ein Thema ist, das du verbessern willst:

Rhythm & Groove - Der Weg in die rhythmische Leichtigkeit

Gitarre sollte nicht das Ziel sein

Ziel soll nicht sein, ein guter Gitarrist zu werden. Ziel soll sein, ein guter Musiker zu werden. Wenn wir an die Gitarre denken, denken wir an technische Fähigkeiten. Es gibt so viel mehr, was nicht gitarrenspezifisch ist: Rhythmik, Melodieverständnis, Harmonieverständnis, Feeling, Dynamik. Klar spielt die Technik am Instrument eine große Rolle, aber das Instrument sollte nur Mittel zum Zweck sein. Musik machen. Und um Musik zu machen sollte man sich gesamtmusikalisch weiterentwickeln.

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende.

Liebe Grüße
Andi 🎸🦊

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Ein Gitarrensolo zu irgendwelchen Akkorden spielen / improvisieren

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